„Hiermit wird eine Internationale Föderation für Europarecht errichtet. Mitglieder sind die in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft gegründeten nationalen Gesellschaften, deren Tätigkeiten dem Studium und der Entwicklung des Rechtes und der Institutionen der Europäischen Gemeinschaft gewidmet ist." (Seit der Ratifikation des Vertrags von Lissabon im Jahre 2009 durch die Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist „Europäische Gemeinschaft“ als Europäische Union (EU) zu verstehen).
FIDE (Fédération Internationale pour le Droit Européen bzw. Internationale Föderation für Europarecht) umfasst alle Angelegenheiten des „Europarechts”.
Ihrer Satzung gemäß ist FIDE ein Verband ohne Gewinnabsicht und mit streng uneigennützigem Charakter, der gemäß dem belgischen Gesetz errichtet wurde.
Im Jahre 1961 gegründet, vereinigt FIDE die nationalen, dem Europarecht gewidmeten Gesellschaften eines jeden Mitgliedstaates, des weiteren die Gesellschaften der Kandidatenländer, Norwegens und der Schweiz. Viele heben FIDEs herausragende Rolle in der Entwicklung und Formung des Europarechts und der europäischen Kultur in den mehr als 50 Jahren ihrer Existenz als Dachverband hervor.
FIDE entstand in einem historischen Kontext in welchem die Europäische Gemeinschaft nicht mehr als zehn Mitgliedstaaten zählte; darüber hinaus, und wie Morten Rasmussen klar unterstrich, waren die europäischen Institutionen mit der Herausforderung konfrontiert, die nationalen Rechts-Eliten für sich zu gewinnen und gleichzeitig die Umsetzung der europäischen Rahmengesetze, die strukturell vom guten Willen und der Kooperation der nationalen Gerichte abhängig waren, zu ermöglichen.
So sagt Morten Rasmussen: „FIDE und die nationalen Gesellschaften würden nicht nur eine wichtige Informationsquelle für den juristischen Dienst (der damals von Michel Gaudet geführten Europäischen Kommission) und den EUGH bzgl. der Annahme des Europarechts in den Mitgliedstaaten darstellen; als soziale Akteure würden die Juristen – Gaudets Meinung nach - auch auschlaggebend dafür sein, die nationalen Gerichte und Rechts-Eliten dazu zu bringen, das europäische Recht anzunehmen“ (Morten Rasmussen, 2013).
FIDE wurde in Brüssel am 12-14 Oktober 1961 im Rahmen eines Kongresses über Europarecht von den nationalen Gesellschaften folgender Mitgliedstaaten gegründet: Deutschland, Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande. Später schlossen sich die nationalen Gesellschaften Großbritanniens, Irlands und Dänemarks FIDE an.
FIDEs Objektive beinhalteten sowohl die Untersuchung und Entwicklung des Rechts und der Institutionen der Europäischen Gemeinschaft (EG) – jetzt die der Europäischen Union –, als auch deren Zusammenspiel mit den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten. Die zweijährlichen Kongresse, die FIDE seit ihrer Errichtung organisiert, dienen diesem Zweck.
Von Anfang an hieß FIDE die freiwillige Mitarbeit renommierter Juristen willkommen, die die Ansicht von Walter Hallstein (Präsident der Europäischen Kommission im Jahre 1958) bzgl. der zentralen Wichtigkeit der Gesetzgebung, Interpretation und Anwendung des Rechts für die europäische Integration teilten und sich daher bemühten, eine systematischere Kooperation der nationalen Gerichtswesen in der Anwendung und Entwicklung des Europarechts zu erreichen. Wichtiger noch: FIDE beeinflusste die Bildung eines neuen akademischen Gebiets, dem sogenannten Europarecht, das sich als entscheidend für die Legitimierung der Tätigkeit des EUGH der Europäischen Union herausstellen sollte.
Kurz nach ihrem zweiten Kongress über die unmittelbare Anwendbarkeit der EG – Gründungsverträge, der im Jahre 1963 in Den Haag stattfand, wird FIDE von Rasmussen (2013) als der treibende Motor für die erste Testrunde eines Vorabentscheidungsersuchens, ausgehend von holländischen Gerichten, angesehen; dies führte zu der Doktrin der unmittelbaren Anwendbarkeit der EU-Gesetze (Van Gand en Loos Fall) in den Jahren 1963-64. Später, im Jahre 1965 und ebenfalls nach einem FIDE Kongress, dieses mal in Paris, nahm FIDE die Doktrin der Vorrangstellung an.
Die wichtigsten Auswirkungen FIDEs auf die Entwicklung des Europarechts werden von Alexander Bernier wie folgt zusammengefasst: (i) die groß angelegten FIDE Kongresse; (ii) die Veröffentlichung des Verlaufs/der Diskussionen/Ergebnisse der oben erwähnten Kongresse und (iii) ihre Rolle eines Vermittlers für die Entstehung wichtiger Präzedenzfälle vor dem EUGH (Alexandre Bernier, 2012).
FIDE wird von ihrer Satzung in der Form vom Jahre 1981 regiert.
Wie in Artikel 4 definiert, sind ihre Ziele die Folgenden:
Wie schon erwähnt konzentrieren sich FIDEs Aktivitäten auf eine lange Tradition zweijährlicher Kongresse, die in der Regel zweieinhalb Tage dauern und in einem jeweils anderen Mitgliedstaat der EU stattfinden. An diesen Kongressen nehmen renommierte Akademiker, Anwälte auf dem Gebiet des Europarechts, der Präsident des EUGH, Richter, Generalanwälte und General-Direktoren der juristischen Dienste (des Europäischen Parlaments, des Rates und der Europäischen Kommission) teil.
Wie schon von Alexandre Bernier in 2012 hervorgehoben, bilden die FIDE Kongresse und die ihr folgenden Veröffentlichungen Meilensteine im Studium der Kerngebiete des Europarechts und der Rechtsprechung des EUGH.
Was die Veröffentlichungen anbelangt, so handelt es sich um detaillierte, vergleichende Studien bzgl. der drei im Kongress selbst behandelten Themen, insbesondere in den Bereichen des EU-Wettbewerbsrechts und des EU-Verfassungsrechts. Jedes einzelne dieser drei Themen wird mit größter Sorgfalt von einem sogenannten „generellen Berichterstatter“ vorbereitet; dieser übernimmt sowohl die Verantwortung für die Koordination, als auch die Verantwortung für die nationalen Berichterstattungen (die ihrerseits von den jeweiligen nationalen Gesellschaften ernannten Experten erstellt wurden), die die institutionellen, von den Repräsentanten der jeweiligen EU-Organe vorbereiteten Berichte ergänzen.
Derzeit sind nicht nur eine Gesellschaft eines jeden Mitgliedstaates der EU in FIDE vereinigt, sondern auch Gesellschaften, die sich – wenngleich Mitglieder des EFTA - dem Studium des Europarechts widmen, wie Gesellschaften der Schweiz und Norwegens. Darüber hinaus haben eine Reihe von Staaten, die weder der EU noch der EFTA angehören, ihr großes Interesse an FIDE kund gemacht.
Die 30 Gesellschaften, die zur Zeit FIDE angehören sind allesamt als repräsentativ anzusehen, was die nationalen, sich mit Europarecht beschäftigenden Organe anbelangt: sie beinhalten Akademiker, Juristen (insbesondere Anwälte), Richter und Staatsbeamte. Ziel ist nicht nur, eine tiefgreifende Diskussion über Europarecht herbeizuführen, die zu deren Entwicklung beiträgt, sondern auch, die jüngeren Generationen in diese Diskussionen einzubinden.
Um mehr über FIDE zu wissen, bitte informieren Sie sich mithilfe dieser Literatur (in chronologischer Reihenfolge):
* erstellt von Prof. Julia Laffranque, Präsidentin der FIDE während 2011-2012 in ihrem Artikel „FIDE - Uniting Great Minds of European Law: 50 years of the International Federation for European Law”, Juridica International, 2011, pp. 173-181. (ebenfalls verfügbar hier)